Wenn Gedanken zur Last werden

Immer wieder berichten mir Menschen, dass sie zu viel denken. Sie würden gerne den Strom ihrer Gedanken ausschalten - und hoffen oftmals, dass Meditation dafür einen geeigneten Schalter in ihren Kopf einbauen wird.
Die Wunschvorstellung ist, dass zukünftig beim Denken von unangenehmen Gedanken der Schalter umgelegt wird und dann Ruhe herrscht. Am Zentrum des Wunsches steht somit oft das Bedürfnis nach innerem Frieden. Kurioserweise beginnen wir einen Krieg gegen unsere Gedanken aus dem Wunsch heraus nach Frieden.

Gerade Anfänger erleben zu ihrer großen Enttäuschung oftmals, dass die Gedanken scheinbar sogar zunehmen, wenn sie die ersten Schritte in Meditation gehen.
Das hat in vielen Fällen einen einfachen Grund: Durch Meditation kehrt erstmals ein wenig Ruhe im Geist ein. Und in dieser Ruhe erscheinen Gedanken plötzlich sehr viel lauter, als vormals. Es sind also immer noch gleich viele Gedanken, sie werden nur gegen den ruhigeren Hintergrund deutlicher wahrgenommen. Der Kontrast ist stärker geworden. Somit ist es in Wahrheit ein gutes Zeichen.

Viele empfinden Frustration und Selbstvorwürfe. Warum kann ich meine Gedanken nicht abschalten? Warum kann ich nicht für Ruhe in meinem Kopf sorgen? Bin nur ich unfähig dazu? Warum werde ich von meinen eigenen Gedanken so sehr gequält, warum lassen sie mich nicht in Ruhe?

Dem Gefühl der Frustration, der Enttäuschung, der Resignation geht dabei ein initialer Gedanke voraus. "Ich denke zu viel." oder "ich kann meine Gedanken nicht zur Ruhe bringen."
Das, was dabei fast immer übersehen wird, ist: Das, was den Krieg gegen den Strom der Gedanken anzettelt - ist lediglich ein Gedanke.
Wäre der Gedanke "ich denke zu viel" nicht da, dann gäbe es kein Problem.
Keinen Krieg.
Mit anderen Worten: Frieden.

Wir sehnen uns also nach Frieden - und lassen ihn nicht zu, indem wir am Gedanken festhalten, dass uns Gedanken vom Frieden fernhalten.

Werde ich in diesem Thema um Rat gefragt, so empfehle ich oft ein Experiment: Falls es Dich quält, dass Du zu viele Gedanken hast, dann setz Dich einmal hin, nimm Dir 5 Minuten Zeit, schliess die Augen und gib Dir innerlich die folgende Erlaubnis: "Für die nächsten 5 Minuten erlaube ich meinem Geist so viele Gedanken zu haben, wie er will. Jeder Gedanke darf kommen. Je mehr Gedanken, um so besser." und dann fordere Deinen Geist auf: "Fang an! Gib Vollgas!" Beobachte aufmerksam, was geschieht. Stürze Dich aufmerksam und neugierig sofort auf jeden Gedanken, sobald er in Deinem Geist erscheint. Sei gespannt auf Deine Gedanken. Ruf sie alle herein. Zieh sie an den Haaren in das Haus Deines Geistes, sobald sie am Horizont erscheinen, selbst wenn sie sich wehren sollten. Sei hungrig und unersättlich auf Gedanken.
Wenn die 5 Minuten herum sind, denk bewusst darüber nach, was geschehen ist, warum es geschehen ist und was die Konsequenzen sind, die Du daraus ziehen möchtest.

Wenn Du Dir in Deiner Meditationspraxis ein Ziel setzen willst, das mit Gedanken zu tun hat, dann empfehle ich Dir: Hab das Ziel, eines Tages jeden einzelnen Gedanken bewusst und mit dem Gefühl eines unerschütterlichen inneren Friedens wahrnehmen zu können, egal wie viele da kommen mögen. Das Ziel, möglichst wenige Gedanken zu haben und auch eben nur dann Frieden im Geist zu haben, erscheint mir im Vergleich weniger erstrebenswert.